Ein Beitrag zur Bildung und zur Selbstbefähigung oder nur ein Tropfen auf den heißen Stein?
Ein flacher Zement verputzter Bau, auf dessen mit Stroh und großen Steinen bedecktem Dach vier Solarpanele und ein Empfänger für ein Satellitensignal installiert wurden. Dies ist seit dem 10.12.2011 das erste Jugendzentrum in La Guera, einem Ortsteil des sahrauischen Flüchtlinglagers Ausserd, 37 Jahre nach dessen Entstehung in der algerischen Wüste bei Tindouf. Die Eröffnung des Zentrums war ein großes lokales Ereignis. Ca. 50 junge Sahrauis nahmen daran teil, sowohl das algerische als auch das sahrauische Fernsehen berichteten. Der Bau, die Idee, die Visionen, all dies wurde gelobt, obwohl es praktisch noch an einigem fehlte. Es war offensichtlich, dass die beteiligten Jugendlichen froh über dieses Zentrum waren, schließlich hatten sie es sich als einen Ort der Bildung und Begegnung gewünscht. Deutlich hatten sie dies ja bei einem Open Space im Februar 2010 formuliert, als es darum ging, die zukünftigen Angebote dieses Jugendzentrums in Gründung festzulegen und den Ausbau des Gebäudes darauf auszurichten. Die Projektgruppe Westsahara unterstützte sie seit 2009 im Rahmen der Jugendbegegnungen und organisierte Geld für den Ausbau und die Ausstattung des Zentrums bei Stiftungen, Freund_innen und Familien sowie durch Solidaritätskonzerte (Wüste Sause). Verantwortlich für das Zentrum ist die sahrauische Jugendorganisation UJSARIO. Sie hat das Zentrum nach »Said Dambar« benannt, einem 14 jährigen Sahrauis, der 2010 das erste Opfer der marokkanischen Autoritäten wurde, die Gdeim Izek, das Protestcamp von 30.000 Sahrauis in der besetzen Westsahara zerstörte.
In den Flüchtlings lagern gibt es keine weiterführenden Schulen und Ausbildungsmöglichkeiten. Um so wichtiger ist es vor allem für junge Frauen, die seltener mit Stipendien zum Studium ins Ausland gehen können, dass es nunmehr in dem Jugendzentrum verschiedene Kursangebote gibt. Neben einem Englisch- und Spanisch- wurde auch ein Französisch- und phasenweise ein Deutschkurs sowie Informatikunterricht angeboten. Alle Kurse sind Anfänger_innenkurse, die zweimal wöchentlich stattfinden und bisher ausschließlich von jungen Frauen zwischen 16 und 25 Jahren besucht werden. Das gleiche gilt für die thematischen Veranstaltungen des Zentrums.
Im Herbst 2012 wurden zudem eine Bibliothek mit arabischer Literatur und Sachbüchern sowie Lernmaterial und drei mechanische Nähmaschinen angeschafft. Nun kann dort auch Kleidung selbst genäht werden. Internet gibt es seit März 2012. Die Verbindung war zunächst eine sehr langsame, die über Handyverträge hergestellt wurde. Im November installierte eine italienische Organisation in Ausserd für verschiedene soziale Einrichtungen einen Satellitenanschluss. Die Projektgruppe Westsahara beteiligt sich an den Jugendzentrum im sahrauischen Flüchtlingslager Ausserd hat seine Tore geöffnet laufenden Kosten. Jugendliche können 2013 Nachmittags an fünf Tagen in der Woche kostenlos das Internet für alle möglichen Zwecke nutzen. Dies war eines der wichtigsten Anliegen der Jugendlichen beim Open Space 2010, nicht zuletzt, um ihrer Isolierung entgegenzuwirken, Kontakte herzustellen sowie einen Anschluss an internationalen Entwicklungen im Bereich Information und Kommunikation zu erhalten. Das Zentrum soll auch ein Ort der Jugendbegegnung werden. Im April 2012 fand hier für neun Tage eine deutsch-sahrauische Jugendbegegnung mit der Projektgruppe Westsahara in diesem Zentrum statt, bei der u.a. auch Videofilme entstanden.
Vorangegangen war eine Jugendbegegnung im Oktober 2010, bei der im Rohbau des Zentrums an einem »Tag der Offenen Tür« von den deutschen, französischen und sahrauischen Teilnehmer_innen verschiedene Workshops angeboten wurden. Diese vermittelten eine Idee davon, was in dem Jugendzentrum über die Kursangebote hinaus möglich sein könnte. Ein Tag, an dem Drachen gebaut, Sandspiele gespielt, Schmuck gebastelt, Selbstverteidigung geübt und einfach Jugendliche gemeinsam Spaß haben konnten.
Nachmittags wird das Zentrum nun auch für Jugendliche geöffnet, um sich mit Freunden treffen zu können. Beliebt ist insbesondere bei Jungen auch das gemeinsame »Match-Viewing« von internationalen Fußballspielen. Angedacht sind zudem Spiel- und Sportaktivitäten, ehrenamtliche Unterstützung von älteren Menschen durch Jugendliche, Treffen der Jugendorganisation oder anderer Jugendgruppen sowie punktuelle Projekte zur Pflege und Gestaltung des Zentrums. So wurde z.B. die Außenwand mit Hinweisen auf die Angebote farblich gestaltet. Die Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen sowie jungen Männern und Frauen hat in der sahrauischen Gesellschaft einen hohen Stellwert. Allerdings unterscheiden sich die Lebenswelten deutlich. Die UJSARIO möchte mit den von ihnen betriebenen Jugendzentren die Begegnung zwischen Jungen und Mädchen fördern. Seit 2011 wird die Projektgruppe Westsahara von der Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt e.V. bei der Finanzierung der laufenden Kosten für das Jugendzentrum „Said Dambar“ unterstützt. Auch das Bezirksamt Treptow-Köpenick spendete 2014 über 400 € für die Angebote des Zentrums. Weitere finanzielle Hilfen werden dringend benötigt, um das Angebot des Zentrums zu erweitern. Ein weiterer Sprachkurs über 9 Monate im Jahr (es gibt eine Sommerpause von drei Monaten) mit wöchentlich acht Unterrichtsstunden kann z.B. mit insgesamt 250 € finanziert werden.
Ein Jugendzentrum kann ein Ort der Begegnung, der Bildung und des Engagements sein. Aber ist es nicht nur ein Tropfen auf den sogenannten heißen Stein für die jungen Sahrauis, die zum Teil im Ausland ausgebildet wurden und ohne Perspektiven in den Lagern festsitzen, deren Großeltern in den Lagern starben und die nun realisieren, dass auch ihre Eltern ihr Leben dort bereits verpasst haben?
Die Projektgruppe Westsahara unterstützt das Jugendzentrum, versucht aber auch durch Aktionen in der Öffentlichkeit, die notwendige internationale Lösung des Konflikts einzufordern.